In der Kunst- und Architekturgeschichte Europas spielen die Epoche der Romanik (ca. 11.-13. Jahrhundert) und die Gotik (ca. 12-15. Jahrhundert) zentrale Rollen. Beide Stile hinterließen wertvolle und beeindruckende Bauwerke, die bis heute erhalten sind. Doch worin liegen die Unterschiede zwischen romanischer und gotischer Architektur? In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die entscheidenden Merkmale, die beide Stile voneinander abgrenzen.
Architektonische Merkmale
Romanik
Die romanische Architektur entwickelte sich mit den Klostergründungen und der Ausdehnung der Pilgerwege im Hochmittelalter. Sie zeichnet sich durch massive Baustrukturen, gedrungene Formen und klare geometrische Linien aus. Typisch sind Rundbögen, Stützpfeiler und Tonnengewölbe. Die Dicke der Mauern verhinderte den Einsatz großer Fenster, was dazu führte, dass romanische Kirchen relativ dunkel sind. Das Portal, häufig reich verziert mit Skulptur und Relief, diente häufig als Haupteingang und Schauseite des Gebäudes.
Gotik
Die gotische Architektur entstand aus dem Bestreben heraus, dem inneren Raum einen größeren Ausdruck zu verleihen und mehr Licht in die Kirchen zu bringen. Sie kennzeichnet sich durch schlanke Vertikallinien, die den Blick nach oben ziehen, das Streben nach dem Unendlichen. Spitzbögen, Kreuzrippengewölbe und Strebepfeiler sind entscheidende Merkmale der Gotik, die es ermöglichten, Höhe und Größe der Kirchen zu vergrößern. Im Gegensatz zur Romanik sind gotische Kirchen mit ihren großen Fenstern und lichtdurchfluteten Innenräumen klar und hell. Diese Fenster sind oft mit prächtigen Glasmalereien geschmückt, die farbenfrohes Licht in den Innenraum werfen.
Skulptur und Ornamentik
Romanik
In der romanischen Architektur sind Skulpturen und Reliefs häufiger an Portalen und Kapitellen (oberer Bereich von Säulen) zu finden. Sie dienten der Vermittlung von biblischen Geschichten an die Bevölkerung, die zu dieser Zeit weitgehend analphabetisch war. Die Formen der romanischen Skulptur sind oft voluminös und gedrungen, manchmal auch abstrakt-geometrisch.
Gotik
Die gotische Skulptur ist im Vergleich zur Romanik filigraner und naturalistischer. Figuren wirken oft schwebend und leicht, mit eleganter Gestik und drapierter Gewandung. Insbesondere die Statuen am Westportal von Kathedralen, wie etwa in Chartres, Reims oder Amiens, sind für ihre Eleganz und Anmut bekannt. Neben biblischen Geschichten und Heiligendarstellungen treten in der Gotik auch vermehrt profane Motive und gesellschaftliche Typen (z.B. Narren, Handwerker) auf.
Vergleichstabelle Romanik und Gotik
Merkmal | Romanik | Gotik |
---|---|---|
Bauweise | massiv, gedrungen | schlank, vertikal |
Fenster | kleinere Fenster, Rundbögen | große Fenster, Maßwerk, Glasmalerei |
Gewölbe | Tonnengewölbe, Rundbogen | Kreuzrippengewölbe, Spitzbogen |
Stützen | Stützpfeiler, Rundbogen | Strebepfeiler, Spitzbogen |
Skulptur | gedrungen, oft abstrakt | filigran, naturalistisch |